Eine kleine wilde Population der südamerikanischen Überlebenskünstler fühlt sich im Norden Deutschlands sehr wohl.
Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Spaziergang irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern, und dann
sehen Sie plötzlich einen gigantischen Vogel: Etwa 1,30 Meter groß und rund 20 Kilogramm schwer, treibt er sich auf einem Acker herum. Zu Fuß, wohlgemerkt, denn fliegen kann diese Art nicht – der Nandu. Auf den ersten Blick ähnelt er stark einem Vogel Strauß, und um einen großen Laufvogel handelt es sich auch hier.
Nandus in Deutschland?!
Wieso diese südamerikanischen Vögel in Deutschland wild leben? Nun, vor über 20 Jahren sind ein paar Exemplare aus einer Zucht in Schleswig-Holstein entkommen. Im Landkreis Nordwestmecklenburg machten sie es sich daraufhin gemütlich und vermehrten sich fleißig. 2002 wusste man bereits von 11 Nandus in der Niederung der Wakenitz, 2004 waren es in der Gegend schon fast doppelt so viele. Zählungen von Angestellten des Biosphärenreservats Schaalsee ergaben im Herbst 2018 sagenhafte 566 Tiere auf den etwa 150 Quadratkilometern im Osten des Ratzeburger Sees.
Wo kommen die Nandus her?
Eigentlich sind Nandus in den Steppen von Brasilien, Paraguay, Uruguay und Argentinien heimisch. Mancherorts ähnelt das dortige Klima unseren Wetterverhältnissen. Darum können die Tiere hier ganz gut überleben. Im offenen Grasland finden sie in ihrer Heimat Gräser, Kräuter und Insekten. In Deutschland werden sie auf Ackerflächen und Wiesen fündig. Der Nandu ist in Amerika potenziell gefährdet: Weil ihm immer mehr Lebensraum durch den Menschen streitig gemacht wird, schrumpft die Zahl der Tiere dort von Jahr zu Jahr deutlich.
Nandu: Riesiger Vogel mit nützlichen Flügeln
Wie beschrieben sind die Vögel – zumindest für europäische Verhältnisse – riesig, wobei die Weibchen etwas kleiner sind. Nandus haben ein lockeres, zerrupft wirkendes Gefieder und recht lange Flügel. Die Farbe der Federn changiert zwischen grau und braun. Kein Vogel ähnelt darin einem anderen. Die Flügel
sind keineswegs überflüssig! Sie dienen bei der Flucht dem Gleichgewicht und einer besseren Steuerung – so kann der Nandu Haken schlagen wie ein Hase.
Das Nandumännchen brütet die Eier aus
Ab September beginnt die Paarungszeit bei den Nandus. Dann hört man die männlichen Tiere ihren eigenen Namen rufen: „Nan-du!“ Beim Balzen breiten sie außerdem ihre großen Schwingen aus.
Auf die Art locken die Männchen mehrere Weibchen an, um sich mit ihnen zu paaren. Die entsprechenden Nandudamen legen ihre Eier in ein gemeinsames Nest, um zum nächsten Liebhaber
zu entschwinden.
So findet sich Herr Nandu allein mit seinem vollen Nest wieder – zwischen 13 und (selten bis zu) 80 Eier liegen darin. So brütet er die Kleinen allein aus. Das dauert fünf bis sechs Wochen. Bei der Betreuung der zahlreichen Jungen kommen zum Glück jüngere Männchen zu Hilfe.
Speiseplan der Nandus
Nandus futtern bei uns gerne Rapsblüten; Mais und auch Weizen werden nicht verschmäht. Die Jungvögel brauchen zur gesunden Entwicklung eiweißreiche Insekten. Mit sechs Monaten sind die Jungnandus ausgewachsen und können sich selbst versorgen. Erst mit zwei bis drei Jahren sind sie geschlechtsreif. Ist die Brutzeit vorüber, schließen sich mehrere Dutzend Vögel zu Trupps zusammen. Werden sie aufgeschreckt, rennen sie so schnell, wie ein Pkw in der Innenstadt fährt – mit 50 bis 60 Stundenkilometern nämlich –, davon.
Zukunft der Nandus in Deutschland
Ob der Nandu andere Arten bei uns gefährdet, ist noch nicht gesichert. Er gilt somit als potenziell invasive Art. Darum wird der Bestand auch jedes Jahr gezählt und kontrolliert. Wahrscheinlich schadet er eher den Landwirten als der heimischen Natur. Womöglich können die Tiere in den hiesigen strengeren Wintern mangels Futter ohnehin nicht so gut überleben und hatten in den letzten zehn Jahren zuvor einfach Glück mit dem Wetter.
Seit 2017 wird die Population aber bereits wegen der landwirtschaftlichen Schäden eingedämmt. Im Frühjahr 2021 waren so nur noch 157 Nandus übrig – das heißt, vielleicht verstecken sich weitere Exemplare vor den Kontrollen. Schließlich wissen sie nun, dass ihnen von den Menschen Ungemach droht. Umgekehrt ist übrigens nichts bekannt, außer dass Hunde sich den Tieren lieber nicht nähern sollten.