Natur-Apotheke: Die Bibernelle

Große und Kleine Bibernelle gehören zu den Kräutern, deren Heilkräfte sich in den unterirdischen Pflanzenteilen verstecken. Hat man die Wurzel erst mal zur Hand, hilft sie bei allerlei Zipperlein.

Wenn die Hustenzeit naht, sind wieder bewährte alte Hausmittel gefragt. Eines davon, das fast in Vergessenheit geraten ist, soll hier in Erinnerung gerufen werden: die Bibernelle. Sie wächst bei uns fast überall, und das wohl schon seit mindestens 1000 Jahren. Und entsprechend lange ist ihre heilende Wirkung bekannt.

Falscher Namensvetter

Etwa 150 Arten gehören zur Gattung der Bibernellen; in Europa sind 16 Bibernellen-Arten zu finden. Als heilkräftig gelten bei uns die Große Bibernelle (Pimpinella major) und die Kleine Bibernelle (Pimpinella
saxifraga). Ein Missverständnis soll hier aber sogleich ausgeschlossen werden, um eine Verwechslung zu verhindern: Der Kleine Wiesenknopf, der in so manchem Kräutergarten steht, landet nämlich ebenfalls als „Pimpernell“ im Salat oder in der hessischen grünen Soße. Die Pflanzen sind aber weder verwandt noch ähneln sich die Blätter und Blüten besonders. Tatsächlich sind unsere Bibernellen mit dem Anis verwandt und sehen ihm auch viel ähnlicher.

Große Bibernelle
Im Kräutergarten eine Zierde: Manchmal tendieren die kleinen Blüten der Großen Bibernelle farblich in Richtung Rosa.

Die Große Bibernelle

Unsere heilsame Bibernelle wächst immerhin bei der größeren Art bis zu einem Meter hoch. Ihr Stängel ist längs gefurcht, kahl und hohl. Die winzigen weißen bis rosa Blüten stehen in Dolden beisammen. Die gelblichen Wurzeln der Großen Bibernelle laufen an der Luft bläulich an. Die gefiederten Blätter
wachsen nahe am Boden und am Stängel versetzt. Sie blüht von Juni bis September und ist in lichten Wäldern ebenso daheim wie auf Wildwiesen auf Lehmböden. Außerhalb Europas kennt man sie auch im Kaukasus und in Nordamerika.

Kleine Bibernelle

Wie der Name schon verrät: Die Kleine Bibernelle wächst nicht ganz so hoch wie ihre große Schwester. Meist kommt sie nicht über 60 Zentimeter hinaus. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sind die feiner gekerbten, rundlichen Blätter. Ihre Wurzel verfärbt sich an der Luft nicht und bleibt gelb. Die Kleine Bibernelle blüht weiß von Juni bis Oktober. Auf ihr tummeln sich übrigens häufig die hungrigen Raupen des Bibernell-Widderchens. Die Pflanze wächst in Europa und Asien. Hier bevorzugt sie eher nährstoffarme Böden wie Trockenrasen.

Kleine Bibernelle
Blätter und Blüten der Kleinen Bibernelle sind übrigens essbar. Sie passen frisch geerntet gut in Salate oder als Dekoration auf den Teller.

Historische Vewendung

Wahrscheinlich wurde die Bibernelle vor einigen Hundert Jahren bei uns eingeschleppt. Sie hat je nach Region viele verschiedene Namen wie Steinbrechwurz, Steinpetersilie, Bockwurz, Pfefferkraut oder Bumbernell, Bibernell und Bibenelle, Steinbibernelle oder Bockspetersilie.
Letzteres wohl wegen des strengen Geruchs der Wurzeln.

Schon im 8. Jahrhundert nutzten heilkundige Menschen bei uns die Bibernelle. Das weiß man wegen der mündlich überlieferten alten Merkreime. Mal sollte das Heilkraut gegen die Pest helfen („Esst Bibernellen und Baldrian, dann geht die Pest euch gar nichts an“), mal bei Herz-Kreislauf-Problemen: „Esst Steinobst und Bibernellen, so wird das Herz euch nicht anschwellen.“ Der Renaissance-Arzt Tabernaemontanus schreibt 1588 davon als Allheilmittel. Traditionell kannte man die Pflanze als Mittel gegen Husten und Heiserkeit, Gicht, Blasensteine, Sodbrennen und nervöse Herzbeschwerden. Die kräuterkundige Heilige Hildegard von Bingen nahm den Saft der Wurzeln und mischte ihn mit Mehl, Ingwer, Wolfsmilch und Osterluzei zu kleinen Küchlein, die in der Sonne getrocknet wurden. Das Ganze sollte die Verdauung in Schwung bringen. Gegen Übelkeit und Erbrechen empfahl sie ähnliche Küchlein aus Bibernelle, Kümmel, Pfeffer und Mehl. Später setzte der heilkundige Pfarrer Kneipp die Bibernelle als Rheumamittel und bei Nierenentzündungen ein.

Wurzel Bibernelle
Die Wurzel der Bibernellen kann getrocknet oder frisch verwendet werden. Getrocknet ist sie im Kräuterhandel erhältlich.

Bibernelle: Inhaltsstoffe und Heilwirkung

Samen und Wurzel der beiden heimischen Arten enthalten ätherisches Öl, Gerb- und Bitterstoffe und natürliche sekundäre Pflanzenstoffe wie Saponine, Polyacetylene, Cumarine. Die ätherischen Öle sind für die schleimlösende, reizlindernde und entzündungshemmende Wirkung verantwortlich.
Kombiniert wirken die Inhaltsstoffe außerdem adstringierend, blutreinigend und -stillend, schweißtreibend und harntreibend. In der Apotheke sind getrocknete Wurzeln als Pimpinellae radix erhältlich. Aus ihnen werden Teezubereitungen und Tinkturen hergestellt. Hauptsächlich sind sie dank
der schleimlösenden Wirkung bei Katarrhen der oberen Luftwege, aber auch zur Behandlung von Entzündungen im Rachenraum zu empfehlen. In der Homöopathie wird ein Präparat namens
Pimpinella alba in den Potenzen D1 bis D6 bei Nasenbluten, Kopfweh, Tinnitus, Magen- und Darmproblemen und Bronchitis eingesetzt. Weil die Bibernelle harntreibend wirkt, dient sie als entsprechendes Getränk bei Harnwegs- oder Blasenentzündung. Wer unter Entzündungen
der Schleimhäute im Mund- und Rachenraum leidet, kann mit dem Wurzel-Absud gurgeln.

Bibernellentee
Bei Halsweh, Schnupfen, Fieber, Appetitlosigkeit, Blähungen, Sodbrennen, Durchfall, Gicht oder Rheuma kann ein Bibernellentee helfen. Das Rezept dazu finden Sie im LandKind-Magazin.

Anbau oder Apotheke

Vielleicht möchten Sie sich die Pflanze in den eigenen Garten holen – Insekten freuen sich jedenfalls über die Bibernelle! Zur medizinischen Verwendung werden die Wurzeln ab September ausgegraben und entweder frisch verwendet oder zunächst getrocknet. Wer die Bibernelle wild sammeln möchte, sollte sich sehr gut auskennen und sie sicher bestimmen können. Sie ist nämlich nicht nur mit dem harmlosen Fenchel oder Anis zu verwechseln, sondern auch mit giftigen Schierlingsgewächsen! Allerdings gibt es
die Bibernelle auch in der Apotheke zu kaufen. Die getrockneten Wurzeln stammen dann meistens aus Bosnien, Kroatien, Montenegro, Serbien oder Slowenien.
Eine fertige Tinktur kann man auch kaufen: 30 Tropfen davon in einem Glas lauwarmem Wasser sind eine tolle Gurgellösung bei Halsentzündungen.

Das ist wichtig:
Dieser Artikel ersetzt weder eine Therapie noch die Gesundheitsberatung durch einen Arzt
oder Heilpraktiker. Bei anhaltenden Beschwerden ist ein Arztbesuch zu empfehlen.

Passende Rezepte zum Nachmachen hierzu finden Sie im LandKind-Magazin.