In Zeiten des Insektensterbens könnte Ihr Garten eine Oase der Vielfalt werden. Alles, was nötig ist: einheimische Blühpflanzen und ein trockenes Eckchen mit extra Wohnraum.
Stellen Sie sich vor, Sie wären Ihr ganzes Leben wandernd unterwegs und bekämen Nachwuchs. Da freut man sich doch, wenn für die Aufzucht der Kinder ein geeigneter Ort zur Verfügung steht – ein Hotel-Kinderzimmer sozusagen. Auch Insektenkinder benötigen ein warmes und trockenes Plätzchen, um sich zu entwickeln; Wind und Regen sollten ihnen nichts anhaben können. Entsprechende Insektenheime sind bei Naturschutzverbänden wie NABU, BUND oder LBV erhältlich und für gewöhnlich hochwertiger als die Varianten aus dem Bau- oder Supermarkt.
Wildbienen am Insektenhotel
Doch wer tummelt sich denn nun vor den verschieden großen Einfluglöchern guter Insektenhotels? Da wären zunächst viele Wildbienen. Die Arten unterscheiden sich durch Größe und Wahl ihres Nistmaterials. Einzeln lebende Wildbienen sind friedfertig, da sie keinen Staat zu verteidigen haben. Sie müssen sich bei der Beobachtung also nicht fürchten. Wildbienen schlürfen Nektar, sammeln dabei Pollen von den Blüten und verteilen ihn – sie befruchten also die Pflanzen. Viele Wildbienenarten sind dabei auf ganz bestimmte Pflanzen spezialisiert, die
wiederum für ihren eigenen Fortbestand auf deren Befruchtung angewiesen sind.
Hotelzimmer frei
Den Winter überdauern Bienenlarven je nach Art in Mauerritzen, Löchern in Lehmwänden und Bäumen oder in hohlen Pflanzenstängeln. Dort legen die Bienen nämlich zuvor die Eier mit ausreichend Nahrung für die Larven ab. Je nach eigener Größe bevorzugen die Bienenmütter kleinere oder größere „Räume“. Deshalb stehen im guten Hotel verschieden große Röhren in angebohrtem Hartholz und in Tonziegeln, Bambus- oder Schilfrohren zur Auswahl. Eine bekannte Gattung ist die Mauerbiene: Die Jungbienen schlüpfen ab März, werden je nach Art 8 bis 16 Millimeter groß und sind bis August aktiv unterwegs. Mauerbienenarten bevorzugen meist lange Röhren. Darin legen sie bis zu 20 einzelne, hintereinander befindliche Brutzellen an, die sie mit Wänden aus einem Speichel-Erde-Lehm-Gemisch abtrennen und jeweils mit Blütenpollen als Nahrung für die Larven auffüllen.
In einem Insektenhotel belegen solche Mauerbienen Löcher mit
einem Durchmesser von etwa 8 Millimetern. In unseren Gärten übernehmen sie die Bestäubung von Obstbäumen. Besonders verbreitet bei uns ist die Rote Mauerbiene. Sie ist an ihrer rotbraunen Farbe ganz gut zu erkennen und nutzt zur Eiablage Hohlräume jeden Materials. Darin zieht auch sie für jedes Ei eine Zwischenwand ein. Die Larven bleiben im Kinderzimmer, bis sie groß genug sind. Insgesamt verbringen sie bis zu einem Jahr in der Brutkammer. Dann durchstoßen sie nacheinander die Trennwand.
Insektenhotel: Extra Zimmer für Flor- und Schwebfliegen
Manche Insektenhotels haben extra Stuben für einen besonders zarten Gast: die Florfliege. Ihre Flügel sind durchscheinend und wirken filigran. Weil sich die hungrigen Larven über Blattläuse hermachen – ihre Lieblingsspeise –, kann man bei Befall eine Nisthilfe oder Überwinterungsmöglichkeit, gefüllt mit Holzwolle, in unmittelbarer Nähe der Pflanzen aufstellen. Wichtig ist dabei eine schadstofffreie rote Außenlackierung, um sie anzulocken. Denn die Farbe Rot wirkt in ihren Augen unwiderstehlich.
Florfliegen sind übrigens gewitzt darin, hungrigen Fledermäusen auszuweichen: Sie können die Ultraschallrufe der Flattermänner wahrnehmen und lassen sich im Flug fallen. So weichen sie den Fressfeinden in letzter Minute aus. Apropos Fressen: Auch die Nachkommen der Hainschwebfliege haben eine Vorliebe für
Blattläuse und Laubbäume. Sie werden später über einen Zentimeter lang und haben einen schwarz-gelben, schmalen Körper ohne Wespentaille. Im Gegensatz zur Wespe haben Hainschwebfliegen keinen Stachel, aber große Facettenaugen. Den Sommer über sind Schwebfliegen ebenso eifrige Bestäuber wie Bienen. Die Singles unter ihnen überwintern am Mittelmeer; genau wie Vögel ziehen sie im Herbst gen Süden. Nur die begatteten Weibchen bleiben bei uns und benötigen einen geschützten Ort zum Überwintern, am liebsten in schmalen Spalten oder Laubhaufen. Es gibt wie für die Florfliege auch entsprechende Kästen zu kaufen.
Ein Hotel für Ohrwürmer
Ob Ohrenkneifer oder Ohrenkriecher – gemeint ist immer der Ohrwurm, der hier ausnahmsweise einmal nicht von musikalischer Art ist. Trotz seines Namens legt er es keineswegs darauf an, in die Ohren zu krabbeln.
Im Altertum behandelte man mit den zu Pulver zerstoßenen Tierchen Ohrenleiden. Doch das ist zum Glück wirklich lange her. Heute lieben vor allem Gärtner den Gemeinen Ohrwurm, weil er für einen Garten mit wenigen Blattläusen sorgt. Allerdings futtert er auch andere Larven, also sollte ihm vielleicht nicht ausgerechnet direkt in einem Insektenhotel eine Unterkunft angeboten werden. Die nachtaktiven Tiere freuen sich über einen umgekehrten Tontopf mit Holzwolle oder Stroh. Erst am Boden stehen lassen, bis die Tiere ihn als Unterschlupf nutzen, dann mit Astkontakt in den Baum oder Strauch hängen, der blattlausfrei bleiben soll.
Diese Lösung wird auch zum Überwintern und als Brutstätte genutzt – Ohrwürmer betreiben übrigens Brutpflege und füttern ihre Larven.
Marienkäfer: Laub statt Hotel
Ebenfalls ausgesprochen nützlich ist der Marienkäfer. Er vertilgt Schild- und Blattläuse, Spinnmilben und Käferlarven. Dazu sind manche Arten wie der Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer auf den Pilzbefall von Pflanzen
spezialisiert: Wo dieser Käfer und seine Larven sich ausbreiten, hat Echter Mehltau keine Chance. Diese Marienkäferart ist nicht rot und schwarz gepunktet, sondern gelb mit jeweils elf schwarzen Punkten auf jedem Deckflügel und noch einmal fünf im Nacken. Mit gerade mal 4,5 mm Körperlänge kein Riese, aber dafür mit Geheimwaffe ausgestattet: Bei einem Angriff stellt er sich einfach tot und gibt ein stinkendes Sekret ab.
Seine Eier legt er direkt auf von Mehltau befallenen Blättern ab, dafür benötigt er kein Insektenhotel. Doch Marienkäfer überwintern gerne gemeinsam mit Artgenossen, und dabei kann man helfen. Sie suchen dafür bekanntlich Hohlräume wie Mauerritzen auf oder verkriechen sich im Laub. Falls Sie ein Insektenhotel haben und es ansonsten im Garten lieber ordentlich mögen, dann lassen Sie doch einfach wenigstens unter dem Hotel einen Laubhaufen liegen.
Alternativen zum Insektenhotel
Eigentlich ist für das gesicherte Überleben von Wildbienen und anderen Insekten der Verzicht auf Herbizide und das Anlegen von Wildblumenwiesen wesentlich wichtiger als nur das Aufstellen von Insektenhotels. Eine naturbelassene Umgebung bietet den kleinen Tierchen nämlich genug Lebensraum. Bienenfreundliche, einheimische Pflanzen wie Glockenblumen, Natternkopf, Disteln oder Königskerze tun ihr Übriges. Zudem nisten rund 75 Prozent aller Wildbienenarten in Deutschland im Boden, während z. B. Marienkäfern und Florfliegen ein Haufen Totholz in einer Gartenecke ausreichen würde, um dort guten Schutz zu finden.
Dennoch: Die Beobachtung der fleißigen Hotelbewohner macht viel Spaß und sorgt letztlich auch bei Ihren Kindern für einen angstfreien, bewussteren Umgang mit den kleinen Lebewesen.
Insektenhotel: Einfache Bauanleitung
Sie möchten selbst Hand anlegen und Ihren Balkon oder eine Ecke im Garten mit einer Nisthilfe für Insekten ausstatten? Wir haben beim Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) nachgefragt: Damit sie nicht leerstehen, sollten die Mini-Hotels vor Regen, Wind und geschützt an einem sonnigen Ort aufgestellt werden. Weitere Tipps unten.
Viele Niststängel dienen als Single-Apartments für Wildbienen und Wildwespen
- Hohle Stängel mit unterschiedlicher Dicke (4–7 mm) aus dem letzten Heckenschnitt, Bambusstangen, alte Stiele großer Stauden, Schilfhalme oder gesammelte tote Äste vom Holunder bündeln.
- Die unterschiedlichen Stängel in einer regendichten Umhüllung
verstauen, z. B. in einer Konservendose oder in einem Holzkasten wie hier. - Mithilfe eines feinmaschigen Kamindrahts kann verhindert werden, dass Spechte und andere Vögel die Bambusabschnitte herausziehen, um an die Wildbienenmaden zu gelangen.
So wohnt es sich richtig:
- Niststängelbündel waagrecht aufhängen
- Nach Süden zur Sonne ausrichten
Dieser Artikel der LandKind-Autorin Emily Jaeneke ist in der Ausgabe LandKind 03/19 erscheinen. Hier finden Sie auch eine Bauanleitung für eine Holzblockhütte für Wildbienen und Wildwespen.